Hunde richtig belohnen

Wo bleibt das Leckerli?
Wo bleibt das Leckerli?

Wie alle Aspekte des Hundetrainings, ist auch Belohnung eine umstrittene Angelegenheit. Manchmal trifft man noch auf die Ansicht, dass es genug Belohnung für den Hund sei, wenn er nicht getadelt wird. Ich persönlich sehe das etwas anders.

 

Belohnung ist wichtig. Es gibt dem Hund Feedback über sein Verhalten und motiviert ihn, dieses Verhalten erneut zu zeigen. Das Argument "aber dann gehorcht er ja nur, weil er Futter will", ist so nicht richtig.

 

Zunächst einmal gibt es zig Möglichkeiten, seinen Hund zu belohnen und man sollte so viele wie möglich davon einsetzen. Futter ist nur eine davon. Die beste Belohnung ist immer das, was der Hund in genau dem Moment will. Lässt er sich aus dem Spiel abrufen, so schicke ich ihn zurück zu seinem Kumpel. Wartet er vor eine Wasserpfütze und schaut mich an, bekommt er die Erlaubnis, rein zu springen. Ist er vom Mauseloch abrufbar, schicke ich ihn buddeln. Hunde lernen auf diese Weise, dass sie genau das bekommen, was sie gerne möchten, indem sie darauf verzichten.

 

Natürlich ist diese Art der Belohnung nicht immer zu 100% umsetzbar. Ich kann meinen Hund kein Reh hetzen lassen und er darf auch nicht zu jedem Hund oder jedem Menschen hinrennen. Aber ich kann ähnliche Dinge als Belohnung einsetzen, z.B. ein Jagdspiel als Belohnung für eine abgebrochene Jagd. Man kann auch die Fährte des Rehs ein Stück weit an der Leine verfolgen und dann noch einen Futterdummy werfen, der "gejagt" werden darf. Man kann den Baumstamm abschnüffeln, an dem das Eichhörnchen hochgeklettert ist oder einen Wildwechsel in beide Richtungen ausarbeiten.

 

Eine weitere, sehr gute Form der Belohnung (besonders in der Verhaltenstherapie) ist Abstand zuzulassen. Wenn ein Hund mit Aggressionsproblem den Anblick eines fremden Hundes ohne Ausraster erträgt, dann wäre die richtige Belohnung, den Abstand zu vergrößern, also mit dem Hund wegzugehen. Stattdessen wird oft genau das Gegenteil gemacht, man geht immer näher an den fremden Hund heran (es klappt ja gerade so gut) bis der eigene anfängt zu bellen und kehrt dann um. Letztendlich bestraft man so den Hund für das ruhig bleiben und erst wenn er bellt, bekommt er das, was er möchte: Abstand.

 

Aufmerksamkeit ist eine riesengroße Belohnung. Wieder einmal konnte ich bei diesem Thema erleben, wie die selbe Methode bei zwei unterschiedlichen Hunden völlig gegensätzlich wirkt. Piri, unsicher und ängstlich, bellt am Fenster, wenn ihr etwas unheimlich ist. Ich schaue nach, bestätige die Ungefährlichkeit, belohne sie für ihre Wachtätigkeit und sie ist zufrieden. Ihr Bellen wurde trotz Belohnung mit Futter und Aufmerksamkeit immer seltener, bis sie es schließlich einstellte. Sie wollte Sicherheit und die bekam sie.

 

Wolli dagegen, frech und selbstbewusst, hatte ganz schnell raus, dass ich komme, wenn er am Fenster bellt und dass es hinterher auch noch Futter gab. Also bellte er immer öfter, denn ich belohnte ihn ja für's Gebell. Bei ihm war der richtige Weg, sein Gebell zu ignorieren oder (noch gemeiner), meine Aufmerksamkeit sofort Piri zu widmen.

 

Und Leckerlis? Auch Leckerlis haben ihren Platz in der langen Liste der Belohnungen. Zunächst einmal sind sie praktisch. Man hat nicht immer einen Wasserlauf, ein Buddelloch oder eine offene Fläche für ein Rennspiel zur Verfügung. Außerdem sind auch Leckerlis sehr variabel. Man kann sie ins Maul werfen, aus der Hand pulen lassen, sie verstecken oder zum Suchen ins hohe Gras werfen und vieles mehr. So kann ein simples Stück Trockenfutter sehr vielseitig engesetzt werden.

 

Nun wollen viele Menschen, dass ihr Hund nicht für Belohnungen gehorcht sondern prinzipiell. Abgesehen davon, dass sich beides nicht ausschließt, kann man sich fragen: wieso eigentlich? Arbeiten wir ohne Belohnung? In welcher Form auch immer? Auch Anerkennung oder ein "Dankeschön" empfinden wir als Belohnung, ja wir erwarten es sogar. Wie oft würden wir jemandem helfen, der sich nicht mal bedankt und nur denkt, "wenn ich nicht kritisiere, dann ist das Belohnung genug"? Es ist nicht genug.

 

Darüber hinaus wurde in Studien festgestellt, dass beim Menschen durch selbstloses Verhalten das Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert wird.

(http://www.sciencemag.org/content/316/5831/1622.abstract). Das heißt, selbst anonyme Hilfen wie Spenden oder sogar das Zahlen von Steuern, wirken sich auf unser Gehirn so aus, als ob wir eine Belohnung erhalten. Und wenn der Mensch in erster Linie für Belohnungen arbeitet, warum erwarten wir dann von unseren Hunden, dass sie es "von selbst" tun?

 

Dem ganzen zu Grunde dürfte die Geschichte vom "will to please" liegen, den viele aber längst nicht alle Hunde haben. In manchen Rassen ist der Wille, mit dem Menschen eng zusammenzuarbeiten, es ihm recht zu machen und ihm zu gefallen, fest verankert. Besonders die Hüterassen tun sich da hervor. Andere, eigenständigere Hunderassen brauchen diese Eigenschaft nicht, bzw sie wäre sogar hinderlich.

 

Während es für einen Schäferhund oft schon Belohnung ist, wenn man überhaupt mit ihm arbeitet, ihn lobt und sich mit ihm über seine tolle Leistung freut, brauchen andere Hunde einen handfesten Anreiz, um mitzumachen. Dieser Anreiz kann völlig unterschiedlich sein, abhängig von den Eigenschaften des Hundes.

 

Habe ich einen Hund, für den Futter ein guter Anreiz ist, dann habe ich Glück. Verfressene Hunde sind leicht zu trainieren. Daher würde ich Leckerlis niemals verteufeln. Auch sollte man sich klar machen, dass ein Hund, der für ein Leckerli einen Hasen stehen lässt, nicht einfach nur bestechlich ist. Würde er darüber nachdenken, was er denn nun lieber hat, würde er den Hasen nehmen. Aber er hat gelernt, dass es sich grundsätzlich für ihn lohnt, auf den Halter zu hören und so tut er es irgendwann auch, ohne erstmal eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufzustellen.

 

Und wenn ich mal keine Leckerlis dabei habe, dann hört er auch nicht mehr.

 

Doch, tut er. Denn einmal kann ich durch vielseitige Belohnung immer etwas finden, um das Verhalten meines Hundes zu bestätigen und zweitens kann man Belohnungen genauso wie andere Hilfestellungen auch wieder abbauen und nur noch ab und zu geben.

 

Es gibt Verhalten, das ist mir so wichtig, dass ich es immer belohne. Prompter Rückruf gehört dazu. Gefundene Dinge hergeben oder gleich liegen lassen. Kurz, Dinge, die lebenswichtig sein können. Andere Dinge, die meine Hunde aus dem ff beherrschen, werden nur noch ab und zu für sehr gute Ausführung belohnt. Sie zeigen dieses Verhalten trotzdem zuverlässig, wenn ich es abrufe. Auch ganz ohne Leckerlis.

 

Hat man trotzdem das Gefühl, der Hund stellt auf stur, wenn man ihm kein Leckerli unter die Nase hält, dann hat dies einen häufigen Fehler als Hintergrund: Man hat Locken mit Belohnen verwechselt und das Leckerli ist für den Hund zum Teil des Signals geworden. Hunde lernen im Kontext. Wenn ich meinem Hund beibringen möchte, auf Wortsignal ins Auto zu springen und ihm dazu ein Leckerli in den Kofferraum werfe, dann bekommt mein Hund folgende Signale:

 

1. Geworfenes Leckerli, dem man hinterher laufen kann

2. Offener Kofferraum

3. Meine Armbewegung Richtung Kofferraum

4. Mein auffordernder Blick

5. Meine Stimmlage

6 Das Wortsignal, dass ich verwende

 

Das Wortsignal dürfte für den Hund die geringste Bedeutung haben. Das Leckerli die höchste. Wenn ich nun das Leckerli weglasse, dann habe ich dem Hund aus dem ganzen "Signalkatalog" das wichtigste Signal gestrichen. Ich kann nicht mal sagen, ob der Hund lernt "spring in den Kofferraum" oder nur "immer wenn der Kofferraum aufgeht, dann wirft mein Mensch gleich ein Leckerli, dem ich hinterher rennen darf" oder "immer wenn mein Mensch ein Leckerli hochhält UND der Kofferraum ist offen, dann springe ich rein." Je mehr Signale ich meinem Hund gebe, desto unsicherer wird es, welches für ihn die gewünschte Bedeutung entwickelt.

 

Trotzdem will auch ich Locken nicht verteufeln. Durch Locken kann man einem Hund sehr schnell klar machen, worum es eigentlich geht. Aber das Leckerli muss möglichst schnell (ich würde sagen, nach zwei - dreimal Locken) wieder abgebaut werden. Wie jedes Hilfsmittel sollte man es nicht einfach streichen und erwarten, dass es auch so klappt, sondern schrittweise ausschleichen. Und sich um Gotteswillen nicht jedes Mal, wenn's schnell gehen soll, wieder dazu verleiten lassen, es dem Hund mal eben zu zeigen, damit er ins Auto springt.

 

Interessanterweise haben die meisten Leute, die Leckerlis mit dem Argument ablehnen, dass man nicht von Hilfsmitteln abhängig sein will, keine Probleme damit, andere Hilfsmittel einzusetzen. z.B. ist auch die Leine nichts weiter als ein Hilfsmittel, damit der Hund nicht wegläuft. Von geworfenen Ketten und sonstigen Dingen mal ganz zu schweigen. Außerdem kann ich Discs und ähnliches nur einmal werfen, was jeder halbwegs intelligente Hund ganz schnell raus hat. Leckerlis kann ich mir eine ganze Menge in die Tasche stecken, aber wer hat schon mehrere Kilos Wurfketten dabei?

 

Und wie effektiv sind derartige Hilfsmittel überhaupt? Sind sie wirklich besser als Belohnungen? Hat mein Hund erstmal einen gewissen Abstand zu mir, dann kann ich ihn auch mit Wurfgeschossen nicht mehr erreichen. Meine einzige Hoffnung liegt darin, dass er freiwillig zu mir zurück kommt und da steigen meine Chancen exorbitant, wenn er gerne kommt.

 

Warum ist es so, dass Strafen für manche Menschen akzeptabler sind als Belohnungen?

 

Meiner Ansicht nach erwarten wir von unseren Hunden unterschwellig, dass sie sich "ethisch korrekt" verhalten. Sie sollen hören, weil sie uns so lieb haben oder weil wir der Boss sind oder weil wir doch Dankbarkeit von ihnen verdienen. All das ist Unsinn. Hunde hören, weil es ihnen nützt, weil sie hochsoziale Lebewesen sind, deren Wohlergehen davon abhängt, dass sie einer Gruppe angehören und weil sie deshalb so kooperativ gestrickt sind. Genau wie Menschen. Darum kommen wir so gut miteinander klar.

 

Außerdem bin ich überzeugt, dass das ganze auch einen kulturellen Hintergrund hat. Wenn man sich unsere Arbeitswelt anschaut, dann gibt es dort viele Kontrollinstanzen, Abmahnungssysteme, Bewertungen und über allem schwebt die Kündigung als ultimative Strafe (für den Hund vielleicht vergleichbar mit der Abgabe im Tierheim). Nur langsam setzt sich eine Kultur durch, in der nicht gestraft sondern motiviert wird und in der man dem Arbeitnehmer Vertrauen entgegen bringt, anstatt ihm erstmal Faulheit, Desinteresse und "Ungehorsam" zu unterstellen. Weit verbreitet ist dies immer noch nicht.

 

Vielleicht kommt daher der Gedanke, dass der Hund Leistung erbringen soll, damit er sich so sein Gehalt verdient. Ihn einfach nur als "Hund" anzuerkennen und ihn für Dinge, die er darüber hinaus leistet, extra zu belohnen, dass fällt uns schwer, denn die menschliche Gesellschaft ist leistungsorientiert. Überspitzt gesagt: wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen und schon gar nicht, wenn er nur ein Hund ist.

 

Also, denken wir mal ein bisschen über uns selbst nach: wann leisten wir die beste Arbeit? Wenn man uns motiviert oder wenn man uns bestraft? Dabei ist Lob, Bestätigung, Vertrauen und Unterstützung für die meisten Arbeitnehmer wichtiger als ein hohes Gehalt, aber trotzdem bin ich sicher, die Bonuszahlung für eine gute Leistung nehmen wir alle gerne entgegen, oder nicht?

 

Der Vollständigkeit halber sei jedoch hinzugefügt, dass Belohnung allein nicht alles ist. Ein souveräner Hundehalter schlägt jedes Leckerli, denn er bietet dem Hund die größte Belohnung überhaupt: ein Gefühl der Sicherheit. Doch dürfte ein souveräner Hundehalter auch keinen Kontrollverlust befürchten, wenn er die Leistungen seines Hundes entsprechend entlohnt, anstatt ihm bei jedem Fehltritt mit einem Eintrag ins Klassenbuch zu drohen.